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Einer der jüngsten wissenschaftlichen Fortschritte im Bereich der assistierten Reproduktion ist die Entwicklung neuer Techniken zur Eierstockverjüngung. Ziel dieser Techniken ist es, die Eierstockfunktion zu verbessern und wiederherzustellen, indem inaktive Follikel bei Patientinnen mit niedriger ovarieller Reserve oder vorzeitiger Ovarialinsuffizienz aktiviert werden. Die wissenschaftliche Evidenz ist jedoch bislang begrenzt und wirft Fragen hinsichtlich der Wirksamkeit und Anwendbarkeit bei verschiedenen Patientinnengruppen auf. In diesem Artikel beleuchten wir die wichtigsten Techniken, bewiesene Fakten und verbreitete Mythen rund um diese Methode.
Was versteht man unter Eierstockverjüngung?
Bei den sogenannten Verfahren zur „Verjüngung“ der Eierstöcke geht es weniger um eine tatsächliche Verjüngung, sondern vielmehr um den Versuch, ruhende oder „stille“ Follikel bei Patientinnen mit niedriger ovarieller Reserve oder vorzeitiger Ovarialinsuffizienz zu reaktivieren.
Es ist bekannt, dass bei diesen Patientinnen noch Follikel bzw. Eizellen im Eierstock vorhanden sind, allerdings befinden sie sich in einem ruhenden Zustand und sprechen nicht auf die Medikamente an, die normalerweise bei Behandlungen der assistierten Reproduktion eingesetzt werden.
Um genau diese inaktiven Follikel (präantrale Follikel) zu aktivieren und ihr Wachstum anzuregen, sowie um sehr kleine, sogenannte primordiale Follikel „zurückzugewinnen“, wurden verschiedene Methoden der Eierstockverjüngung, auch ovarielle Verjüngung genannt, entwickelt. All diese Verfahren sind noch sehr neu und befinden sich in der klinischen Erprobung, sodass belastbare Daten zur Wirksamkeit bisher nicht vorliegen.
Aktuelle Techniken zur Eierstockverjüngung
Zu den derzeit entwickelten Verfahren der Eierstockverjüngung gehören:
● Plättchenreiches Plasma (PRP): Dabei wird, ähnlich wie bei einer normalen Blutabnahme, eine Blutprobe entnommen. Aus dieser Probe werden die Blutplättchen (Thrombozyten) isoliert. Diese Zellen sind in der Lage, Wachstumsfaktoren und Substanzen zur Geweberegeneration freizusetzen. Nach der Aufbereitung wird das PRP unter Sedierung direkt in die Rindenschicht des Eierstocks injiziert. Ziel dieser Behandlung ist es, sehr kleine, sogenannte primordiale Follikel zu aktivieren und deren Wachstum zu fördern, wodurch in Zyklen der assistierten Reproduktion mehr Eizellen gewonnen werden können.
● ASCOT-Verfahren (Autologous Stem Cell Ovarian Transplantation): Bei dieser Methode werden Stammzellen aus dem Knochenmark der Patientin aktiviert und anschließend in den Eierstock eingebracht, um dessen Funktion zu reaktivieren.
● OFFA-Verfahren (Ovarian Fragmentation for Follicular Activation): Hierbei wird durch eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) ein kleiner Teil des Ovarialgewebes entnommen. Im Labor wird die entnommene Rindenschicht des Eierstocks stimuliert und anschließend wieder in den Körper zurück verpflanzt.
Zusammenfassend ist das Ziel aller derzeit erforschten Methoden zur Eierstockverjüngung die Reaktivierung der Eierstockfunktion, um die Reaktion auf nachfolgende Behandlungen der assistierten Reproduktion zu verbessern.
Tambres Einsatz von plättchenreichem Plasma: Gibt es wissenschaftliche Evidenz dafür?
In der Clínica Tambre setzen wir auf die Methode der ovariellen Reaktivierung mittels plättchenreichem Plasma (PRP). Wie bereits erläutert, wird das Plasma aus dem Blut der Patientin gewonnen. Durch Zentrifugation werden dabei jene Zellen isoliert, die das Wachstum sowie die Regeneration von Gewebe fördern können. Anschließend wird dieses Plasma unter Sedierung in die Eierstöcke injiziert, ohne dass ein stationärer Aufenthalt erforderlich ist
Es handelt sich um ein sehr schonendes und minimalinvasives Verfahren, bei dem mehrere Dosen gewonnen und für wiederholte Anwendungen eingefroren werden können. Da es sich um autologes Plasma und somit um körpereigenes Material der Patientin handelt, ist das Risiko für Abstoßungsreaktionen oder die Übertragung von Infektionen äußerst gering.
Warum ist PRP wirksam für die Eierstockverjüngung?
Plättchenreiches Plasma (PRP) wird bereits seit den 1970er-Jahren erforscht und eingesetzt. Die regenerativen Eigenschaften der Blutplättchen haben dazu geführt, dass PRP in vielen Bereichen der regenerativen Medizin als Heilungsförderer oder Verjüngungsfaktor Anwendung findet, etwa in der Dermatologie, plastischen Chirurgie, Zahnmedizin und Orthopädie (Foster TE et al., 2009)1.
Auch in der Gynäkologie und Reproduktionsmedizin rückt PRP zunehmend in den Fokus. In den letzten Jahren wurden mehrere Studien durchgeführt, bislang allerdings mit kleinen Fallzahlen, um die Wirkung von PRP-Injektionen in die Gebärmutter oder Eierstöcke zu untersuchen. Besonders im Zusammenhang mit der In-vitro-Fertilisation wurde der Einsatz von intraovariellen PRP-Injektionen bei Patientinnen mit niedriger ovarieller Reserve, vorzeitiger Ovarialinsuffizienz oder sogar Menopause analysiert (Sills ES et al., 2019)2. Diese Studien zeigen, dass Patientinnen nach PRP-Behandlungen einen signifikanten Anstieg des durchschnittlichen antralen Follikelzählwertes aufwiesen – ein Hinweis auf eine mögliche Reaktivierung der Follikelaktivität.
Eine weitere aufschlussreiche Studie von Cakiroglu et al. (2020)3 liefert ergänzende Erkenntnisse: Unter den Frauen, die nach der PRP-Injektion mindestens einen antralen Follikel entwickelten und sich daraufhin einer IVF unterziehen konnten, begannen 64 % innerhalb der ersten drei Zyklen mit der Behandlung, weitere 21 % im vierten Zyklus. Man geht davon aus, dass die Entwicklung eines menschlichen Follikels vom Primärfollikel bis zum Eisprung etwa 85 Tage dauert. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass jede Art von Follikel im Eierstock direkt durch PRP beeinflusst werden kann.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie betrifft den Ausgangszustand der Patientinnen: Frauen, bei denen zum Zeitpunkt der PRP-Injektion keine antralen Follikel sichtbar waren, sprachen deutlich seltener auf die Behandlung an als jene mit einem oder zwei vorhandenen antralen Follikeln. Ebenso war die Wahrscheinlichkeit einer positiven Reaktion geringer bei Patientinnen mit besonders niedrigen AMH-Werten im Serum und gleichzeitig hohen FSH-Werten. Insgesamt lassen diese Ergebnisse darauf schließen, dass PRP vorhandene präantrale und/oder frühe antrale Follikel aktivieren kann und dass der Behandlungserfolg stark davon abhängt, wie viele Follikel noch im Eierstock vorhanden sind. Besonders bei primärer Ovarialinsuffizienz scheint die verbleibende Follikelreserve ein entscheidender Faktor für das Ansprechen auf die PRP-Therapie zu sein.
Die Forschung zum Einsatz von PRP im Rahmen der Eierstockverjüngung schreitet stetig voran, auch wenn es sich weiterhin um eine experimentelle Methode handelt. Dennoch beobachten wir mit großer Zuversicht die vielversprechenden Ergebnisse, die PRP bereits im Bereich der Fertilität zeigt, sowohl in Bezug auf seine biologischen Eigenschaften als auch aufgrund des schonenden und unkomplizierten Ablaufs der Behandlung. In den letzten Jahren konnten wir feststellen, dass sich die Ergebnisse hinsichtlich der Anzahl gewonnener Eizellen deutlich verbessert haben, und dass daraus Schwangerschaften hervorgehen, die zu gesunden Geburten führen.
In der Clínica Tambre sind wir uns bewusst, dass es weitere Studien und größere Patientinnengruppen braucht, um die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Technik belastbar zu bestätigen. Doch die bisherigen Ergebnisse stimmen uns, ebenso wie unsere Patientinnen, hoffnungsvoll und bestärken uns in unserer täglichen Arbeit.
Mythen und Fakten zur Eierstockverjüngung
Die Eierstockverjüngung ist ein Konzept, das bei vielen Frauen mit Kinderwunsch große Hoffnungen weckt, insbesondere bei Patientinnen mit niedriger ovarieller Reserve oder vorzeitiger Menopause. Umso wichtiger ist es, zwischen wissenschaftlich belegten Erkenntnissen und unrealistischen Erwartungen zu unterscheiden. Im Folgenden betrachten wir einige der häufigsten Annahmen und ordnen sie anhand der aktuellen Datenlage ein.
Mythos 1: „Es handelt sich um eine echte Verjüngung der Eierstöcke.“
Fakt: Wie bereits erläutert, bedeutet „Eierstockverjüngung“ nicht, dass das Gewebe der Eierstöcke im wörtlichen Sinne verjüngt wird. Vielmehr zielen die eingesetzten Verfahren darauf ab, ruhende Follikel zu reaktivieren und die ovarielle Funktion zu stimulieren, mit dem Ziel, die Reaktion auf Behandlungen der assistierten Reproduktion zu verbessern. Eine tatsächliche Umkehr des biologischen Alterungsprozesses des Eierstockgewebes findet jedoch nicht statt.
Mythos 2: „Eierstockverjüngung wirkt bei allen Frauen.“
Fakt: Die Wirksamkeit dieser Behandlungen scheint auf Patientinnen mit einer noch vorhandenen, wenn auch eingeschränkten, ovariellen Restfunktion beschränkt zu sein. Bei Frauen mit fortgeschrittener Menopause sind die Erfolgsaussichten bislang sehr gering. Deshalb ist eine individuelle ärztliche Einschätzung entscheidend, um festzustellen, ob eine Patientin für dieses Verfahren geeignet ist und ob sie realistischerweise davon profitieren kann.
Mythos 3: „Eierstockverjüngung garantiert eine Schwangerschaft.“
Fakt: Auch wenn Studien eine verbesserte Reaktion auf die hormonelle Stimulation nahelegen, gibt es keinerlei Garantie für eine Schwangerschaft. Die weibliche Fruchtbarkeit wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, darunter die Qualität der Embryonen und die Empfänglichkeit der Gebärmutterschleimhaut.
Mythos 4: „Eierstockverjüngung verbessert die Eizellqualität.“
Fakt: Es gibt derzeit kein Verfahren, das die Qualität der Eizellen nachweislich verbessern kann. Diese hängt in erster Linie vom Alter der Patientin ab. Die Techniken zur ovariellen Reaktivierung können zwar die Anzahl der gewinnbaren Eizellen erhöhen, haben jedoch keinen Einfluss auf deren biologische Qualität. Ovarielle Verjüngung kann den altersbedingten Rückgang der Fruchtbarkeit nicht aufhalten und auch nicht das mit dem mütterlichen Alter verbundene Prognoseprofil verbessern.
Mythos 5: „PRP ist eine komplexe Technik.“
Fakt: Die PRP-Methode ist ein vergleichsweise unkompliziertes, minimalinvasives und sicheres Verfahren. Sie besteht im Wesentlichen aus einer Blutentnahme – ähnlich wie bei einer normalen Blutuntersuchung –, einer anschließenden Zentrifugation, um das plättchenreiche Plasma zu isolieren, sowie einer Aktivierung, durch die die Blutplättchen Wachstumsfaktoren freisetzen. Da es sich um körpereigenes Material handelt, besteht kein Risiko einer Abstoßungsreaktion. Zudem kann das PRP eingefroren und so für mehrere Anwendungen aus einer einzigen Blutentnahme genutzt werden.
In der Clínica Tambre wenden wir PRP im Rahmen der Eierstockverjüngung gezielt an, um die Erfolgschancen bei Behandlungen der assistierten Reproduktion zu verbessern. Allerdings liegt bislang keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz vor, die eine generelle Wirksamkeit belegt. Die bisherigen Studien deuten darauf hin, dass die PRP-Therapie insbesondere bei ganz bestimmten Patientinnenprofilen mit klar definiertem reproduktivem Ausgangsbefund erfolgversprechend sein kann. Daher ist eine sorgfältige, individuelle Abklärung unerlässlich, um zu beurteilen, ob diese Methode für Sie geeignet ist. Darüber hinaus lässt sich die Eierstockverjüngung mit weiteren fortschrittlichen Verfahren der assistierten Reproduktion kombinieren, die wir bei Tambre einsetzen – für einen ganzheitlichen und personalisierten Behandlungsansatz.
Wenn Sie mehr Informationen wünschen, kontaktieren Sie uns gerne oder rufen Sie uns unter der Nummer +34 914 116 111 an, um Ihr erstes Beratungsgespräch zu vereinbaren. Wir sprechen auch Deutsch!
Literaturhinweise
1- Soy J Deportes Med. 2009;37(11):2259-72. Foster THE, Puskas BL, Mandelbaum BR, Gerhardt MB, Rodeo SA. Platelet-rich plasma: from basic science to clinical applications. Verfügbar auf: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19875361/
2-Sills ES, Wood SH: Autologous injection of activated platelet-rich plasma into adult human ovarian tissue: molecular mechanism, analysis and discussion of the reproductive response. Representative Biosci 2019. Verfügbar auf: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31092698/
3-Aging (Albany NY). 2020 Jun 5;12(11):10211–10222. Yigit Cakiroglu, et al. Effects of intraovarian injection of autologous platelet rich plasma on ovarian reserve and IVF outcome parameters in women with primary ovarian insufficiency. Verfügbar auf: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7346073/
4- Universidad Europea de Madrid. Rainia D. Sánchez Jorge. Estrategia para la restauración de la fertilidad en mujeres con baja reserva ovárica mediante el método de rejuvenecimiento ovárico. Verfügbar auf: https://titula.universidadeuropea.es/bitstream/handle/20.500.12880/6450/Rainia%20Dolores%20SANCHEZ%20JORGE.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Weitere konsultierte Quellen
Reproducción asistida ORG. Usos del plasma rico en factores de crecimiento en reproducción asistida. Verfügbar auf: https://www.reproduccionasistida.org/usos-del-plasma-rico-en-factores-de-crecimiento-en-reproduccion-asistida/
Reproducción asistida ORG. ¿Qué es el rejuvenecimiento ovárico? Verfügbar auf: https://www.reproduccionasistida.org/rejuvenecimiento-ovarico/ Instituto Bernabéu. Técnicas de rejuvenecimiento ovárico. Verfügbar auf: https://www.youtube.com/watch?v=Ad9rOyWdQvM